Service – Eine Polemik

Service.

Wenn ihr ihn braucht, muss er sofort verfügbar sein, er muss kompetent, umfassend, freundlich, geduldig und zu euren  Gunsten erfolgen. Und vor allem: er darf nichts kosten, eigentlich solltet ihr sogar eine Gutschrift erhalten. Außerdem heißt Service natürlich, dass der Knecht euch, den Königen, alles möglich macht, sonst muss halt die nächsthöhere Instanz ran!

Klar, ihr seid nicht Otto-Normal-Kunde, euer Anliegen ist besonders, euer Anliegen eilt, ihr seid langjährige, treue Kunden, ihr sichert seinen Job. Hätte er was gelernt, würde er auch fordern können, so verschwendet er nur eure kostbare Zeit, während er doch so viel davon hat und eigentlich nur auf euch warten sollte. Außerdem habt ihr immer andere solcher Idioten an der Strippe, immer neue! Schlimm!

Und ausgerechnet ihr landet auch immer bei diesem unfähigen, unfreundlichen Kretin ohne jede Entscheidungskompetenz. Das euch! Die ihr doch Könige seid! Möge der Wurm doch endlich seinen Chef holen, der euch den roten Teppich ausrollen und im Staube winseln möge, ob eurer Herrlichkeit.

Nichts kann er! Er müsste euch doch eigentlich Geld geben und euch danken, dafür, dass er sich im Glanze eurer Stimme und eurer Schreiben sonnen darf, er der er doch nichts kann und von euch dennoch so fürstlich entlohnt wird!

Beschweren werdet ihr euch! Schließlich seid ihr wer und nicht einfach nur irgendwer! Sofort den Namen her! Und den Chef! Besser dessen Chef! Am besten Gestern!

Nicht? Ihr seid da ganz anders? Ihr seid stets freundlich, zuvorkommend, verständnisvoll, vorbereitet, geduldig, geht wertschätzend mit eurem Gegenüber um, auf Augenhöhe?

Überlegt mal kurz, wie ihr wirklich mit dem Servicebearbeiter umgeht, der euch sagt, dass die Bahn ausfällt, mit dem Bearbeiter, der euch sagt, dass eine Gutschrift nicht möglich ist oder, dass ihr keinen Onlinerabatt für Neukunden bekommt, weil ihr weder Online bestellt, noch Neukunde seid. Wie ihr reagiert, wenn dieser Idiot von euch Daten zu euren Verträgen haben will, die er doch eh sieht! Wo ihr doch so in Eile und wichtig und sowieso unterwegs seid.

Überlegt mal kurz, wie ihr reagiert, wenn die Warteschleife mehrere Minuten dauert, wenn der Bearbeiter nicht freudig darauf reagiert, wenn ihr ihn dafür anraunzt, was andere verbockt haben, wenn euer Netz mal ein paar Stunden kaum oder nicht funktioniert. Wenn euer Anschluss gesperrt wurde, weil ihr nicht gezahlt habt und er euch sagt, Entsperrung ist nicht drin ohne Zahlung. Wenn er euch erklärt, dass auch für euch Verträge gelten, auch für euch, wie für Müller von nebenan, Regeln gelten.

Überlegt mal, wie oft ihr nach Gesprächen oder Mails einfach mal so ein positives Feedback abgebt – Feedbackbögen ausfüllt, äußerst zufrieden anklickt, eine Dankesmail schreibt – und wie oft ihr bei Nichtigkeiten Beschwerden abgebt.

Überlegt mal, in welchem Ton ihr mit wem sprecht, was ihr fordert, was ihr erwartet, für euch gebührend haltet und was ihr dafür bereit seid zu geben, wo doch schon das iPhone so teuer ist…

Vielleicht seid ihr ja wirklich anders, vielleicht denkt ihr es aber auch nur. Vielleicht denken einige von euch jetzt wirklich nach, vermutlich viele nicht. Und ganz vielleicht werden einige von euch ab jetzt sogar anders agieren. Wer weiß. Ich werde es teilweise mitbekommen. In unserem nächsten Gespräch oder Schriftwechsel.

 

 

10 Gedanken zu „Service – Eine Polemik

  1. infragesteller

    „Ihr seid stets freundlich, zuvorkommend, verständnisvoll, vorbereitet, geduldig, geht wertschätzend mit eurem Gegenüber um, auf Augenhöhe?“
    Ja, das bin, weil ich selber so behandelt werden will. So einfach ist das. Ich habe aber oft das Gefühl, dass das Personal mit Freundlichkeit gar nicht umgehen kann… Als wäre der Service-Mitarbeiter so daran gewohnt, angemotzt zu werden, dass Zuvorkommenheit und Verständnis seitens Kunde etwas Fremdes sei… Etwas Unbegreifbares…

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    1. Ma Tze Autor

      Zum Thema Schulungen, Freundlichkeit, Geduld bzw. dem Fehlen dieser Dinge komme ich in weiteren weniger polemischen Beiträgen zum Thema Callcenter 😉

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    2. Tom Coal

      Es sei den „Schmuddelkindern“ verziehen, wenn sie mitunter auch überreagieren. Eines der beliebtesten Beispiele ist, wenn der Kunde während des Gespräches nochmals nach dem Namen fragt. Das hat zu 90% einen Beschwerde-Hintergund. Wir sind zumeist Profis, aber nach dem 40. Gespräch am Tage kann das leider auch dem Profi passieren.
      Merke:
      Amateure machen Fehler – Profis verursachen Katastrophen.

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  2. Ronald Gerber

    Wenn ich 20 Minuten in einer Warteschleife hänge, wenn ich nachts 2 Stunden am Gleis stehe, weil mein Anschluss-ICE keine 5 Minuten warten konnte, wenn mein Rechner nach 4 Wochen immer noch nicht repariert wurde, dann macht mich das wütend. Dann bin ich enttäuscht, sauer und fühle mich als Kunde nicht ernstgenommen. Wem anders soll ich das mitteilen, als dem Mitarbeiter der jeweiligen Kundenbetreuung? Dieser Mensch lässt sich dafür bezahlen, das Gesicht seines Unternehmens gegenüber dem Kunden zu sein. Und damit kriegt er den Frust eben ab, wenn es Grund dazu gibt. Dass man dabei nicht persönlich werden darf, nicht beleidigend und nicht respektlos, sollte klar sein – da gebe ich dir recht – ebensowenig, darf man es sich alst Mitarbeiter aber zu Herzen nehmen. Am Wichtigsten ist, dass es das Kundenfeedback an die Stellen im Unternehmen schafft, an denen die Prozesse gemacht werden. Dann gibt’s eines Tages vielleicht auch Grund zu Lob.

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    1. Ma Tze Autor

      Zum Thema Feedback, Bezahlung, Anforderungen etc. kommt die Tage noch was sachlicheres. 😉 Der Text ist eher Denkanstoß.

      Ich selber nehme Sachen nicht persönlich, aber ich kann nachvollziehen, dass dies anderen teils nicht leicht fällt.

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  3. Peter

    wer 8 Stunden für Mindestlohn an der Hotline sitzt, wird vielleicht nicht so motiviert sein, wie man es sich als Kunde gern wünschen würde.. ^^

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  4. bsw-hh@web.de

    Der letzte Eintrag ist nah an der Realität. Schlüsselszene 1:
    Chef kommt zu meinen Tischnachbarn, der surft. Chef: Surfen im Internet ist verboten. Mein Kollege surft weiter. Chef geht weg. Kommt nach ca. 10 min wieder, mein Kollege surft immer noch. Chef: Surfen und vor allem explizites ignorieren von Arbeitsanweisungen ist ein Grund für eine fristlose Kündigung. Kollege dreht sich,- erstmalig,- um, schaut Chef an. „Dann mach die Papiere fertig“. Dreht sich zurück zum Rechner und surft weiter… . Er wurde nicht gekündigt. Dafür war er viel zu gut.

    Mein Erlebnis: Kunde will Gutschrift, weil er zu blöd war eine Verbindung ins Internet einzurichten. Ihm fehlt anfangs auch die bereitschaft, das mit mir gemeinsam telefonisch zu machen, weil ihm mündlich zugesichert wurde, das das jemand vor Ort macht. (Glaube ich ihm sogar, ich kenn Vertriebler… . ). Verbindung steht, nun will er Gutschrift. Ich weigere mich. Er droht mit Beschwerde. Ich teile mit, das er das tun kann, weil mir 100% mein Chef recht geben wird. Seine fast O-Ton Aussage: „Ich muss ihren Chef nicht die Wahrheit sagen. Ich sage ihm sie hätte mich persönlich beleidigt. Also machen sie die Gutschrift fertig, denn Jobs wie ihre sind austauschbar.“ Man hörte förmlich das Grinsen am Telefon. ich:
    „Da haben sie recht.“ Kurzes schweigen. Er „wie?“. Ich: „Jobs wie diese sind austauschbar.“ Man hörte förmlich das denken. Er, deutlich weniger aggressiv oder selbstsicher: „Na wenn sie das so sehen“ von sehen“ Es folgte noch die Verabschiedung, und es kam keine Beschwerde.

    Info an alle Kunden: 1. Ja, ihr habt meistens recht wenn ihr aufregt, auch wenn viele meiner Kollegen das so nie gesehen haben. 2. Nein, der Herr an der Strippe kann da meist nichts für. 3. Überlegt euch sehr gut, ob ihr jene, die ihr beleidigt oder anbrüllt wirklich braucht,- die wenigstens hängen doll am ihren Job,- denn Jobs zum Mindestlohn wie diese gibts wie Sand am Meer. Und die Hilfsbereitschaft Verhält sich reziproportional zur Pissigkeit des Anrufers…

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  5. ausgesucht

    Gut gewehklagt! Fehlt aber für eine Polemik nicht auch ein kurzer Blick auf die Gegenseite? Sinnlose Warteschleifen, erlogene Sie-werden-gleich-verbunden-Versprechen, Inkompetenz bei der „Beratung”, widersprüchliche „Aussagen” innerhalb eines Satzes oder Absatzes oder beim Nachbarberater, nie eingehaltene Wir-klären-das-und-rufen-zurück-Ankündigungen, murksabsatz- statt qualitätsorientierte „Beratung” etc. etc. etc.

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    1. Ma Tze Autor

      Auf Gründe des Teils leider wirklich miesen Service und auch die Branche an sich gehe ich – sogar sachlicher^^ – in weiteren Beiträgen in der nächsten Zeit ein.

      Die „Gegenseite“ lese ich oft genug dargestellt, da brauchte ich, dachte ich, in diesem Text nicht näher drauf eingehen.

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